Die Welt, Forum, 2. November 1998
KOMMT IHRE KUNST OHNE LÜGE NICHT AUS HERR HUNDERTWASSER?
Michael Martens
Interview mit Friedensreich Hundertwasser
(Auszug)
WELT: Im Werk eines anderen österreichischen Künstlers, bei Gottfried
Helnwein, nehmen Häßlichkeit und Grausamkeit, vor allem Kindern gegenüber,
eine zentrale Rolle ein.
Hundertwasser: Helnwein ist vor allem ein Fotokünstler. Er verstärkt
das fotografische Abbild in dramatischen Ausdrücken. Es stimmt, bei ihm
nehmen Häßlichkeit und Gewalt eine zentrale Rolle ein, aber nicht
um ihrer selbst willen, sondern mit Gründen.
WELT: Helnweins Kunst achten Sie also?
Hundertwasser: Ja, obwohl es trostlos ist und zu nichts führt. Da sehe ich
keine Lösung.
WELT: Es gibt viele Menschen, die nicht mehr an Lösungen glauben.
Hundertwasser: Ich denke, der Künstler soll eine Verantwortung tragen. Der
Maler hat eineVerantwortung für die optische Umwelt.
WELT: Wie soll er dieser Verantwortung gerecht werden? Durch Provokation, in
dem er das Negative, Häßliche überspitzt darstellt und noch negativer
und häßlicher erscheinen läßt?
Hundertwasser: Provozieren darf der Künstler nur, wenn es einem Zweck
dient, um Menschen aufzurütteln. Provozieren um der Provokation willen,
Häßlichkeit
um ihrer selbst willen ist schädlich.
Vollständiges Interview: Archiv, Die Welt: http://www.welt.de/