Herbert Schorn
Linzer Rundschau
OÖ. Rundschau
Rundschau-Magazin
Interview mit Gottfried Helnwein:
Ihre Ausstellung im Lentos ist die erste seit Jahrzehnten in Österreich.
Warum gerade Linz?
Gottfried Helnwein: Weil mich Frau Stella Rollig gefragt hat, ob ich im Lentos
ausstellen will. Ich fand die Idee sehr reizvoll, da ich dieses Museum derzeit
für eines der interessantesten in Europa halte.
Ausserdem habe ich in den letzten Jahren so viel schlechte Museums-Architektur
gesehen, dass ich es kaum fassen kann, dass es jemanden gibt, der ein derartig
ästhetisches und intelligent konzipiertes Gebäude zustande gebracht
hat.
Der Untertitel der Ausstellung lautet "One man show". Klingt
ein bisschen nach Alleinunterhalter.
Gottfried Helnwein: Die bildende Kunst ist ein einsames Geschäft. Ich verbringe
die meiste Zeit alleine im Atelier und im Gegensatz zu den darstellenden Künsten
gibt es da kein Publikum und keine Interaktion mit irgendwelchen Partnern oder
Mitspielern. Als Kind erschien mir das höchste Ideal künstlerischer
Existenz, Mitglied der Rolling Stones zu sein. Rückwirkend betrachtet finde
ich dass ich da nicht ganz falsch gelegen bin, denn Rockmusiker scheinen im
Gegensatz zu uns Malern vor allem eines zu haben: more cash and more fun.
Sie haben einmal gesagt, Sie können die Qualitäten Österreichs
nur aus der Ferne schätzen. Für Sie als scharfer Kritiker - welche
sind das?
Gottfried Helnwein: Wenn ich Österreich sage, meine ich eigentlich immer
Wien, weil es das einzige ist was ich hier wirklich kenne. Die 50er, 60er und
70er Jahre in dieser Stadt waren ein einziger Horror. (Ich weiss gar nicht warum
die hier eine Geisterbahn gebaut haben). In den Erinnerungen meiner Kindheit
und Jugend war alles schwarz, schwer und bedrohlich, die Menschen erschienen
mir hässlich, grantig und bösartig.
Ich denke im Grunde ihres Herzens konnten die Wiener den Verlust der Monarchie
nie richtig überwinden. - Nicht mehr Zentrum dieses gemütlich korrupten
Operetten-Weltreiches zu sein, dieses Mekkas aller Tachinierer und Schmähführer,
nicht mehr wichtig zu sein und aus den Höhen der wiener Kaffehäuser
auf den Rest der Welt herunter matschkern zu können, war Ihnen wahrscheinlich
unerträglich. Und nach dem jahrzehntelangem Schlachtfest der Weltkriege,
die darauf folgten, war nicht viel übrig geblieben von der ürsprünglichen
Pracht. Kein Wunder,dass sie schlecht aufgelegt waren.
Wir Nachkriegs-Kinder sind in diesenTrümmerhaufen hineingeboren worden,
den uns diese Schlaumeier hinterlassen haben, und das war nicht lustig. Ich
wollte immer nur weg. Aber aus der zeitlichen und räumlichen Distanz hat
sich meine Sichtweise langsam verändert und ich musste irgendwann widerstrebend
eingestehen, dass dieses kleine Österreich über die Jahrhunderte eine
gewaltige und einzigartige Kultur hervorgebracht hat, mit der ich mich zutiefst
verbunden fühle, - und viele geniale Künstler, vor denen ich mich
in Ehrfurcht verneige.
Viele Ihrer Bilder verwirren, machen unsicher, provozieren. Ist das die
Aufgabe der Kunst?
Gottfried Helnwein: Kandinsky sagte: "In der Kunst ist alles erlaubt".
Für mich ist Kunst vor allem die Möglichkeit auf den Wahnsinn um mich
herum zu reagieren, mich zu wehren und zurück zu schlagen.Der Streit um
die dänischen Mohammed-Karikaturen hat die Macht der Bilder deutlich gemacht.
Sehen Sie sich als einen der Mächtigen?
Bilder können eine Eigendynamik, eine Macht entwickeln, die ihren Erzeugern
über den Kopf wächst. Aber nicht jedes Bild ist Kunst, und nicht jeder,
der ein Bild herstellt ist ein Künstler. Die Machwerke die Sie hier ansprechen
stammen von ein paar mässig talentierten Karikaturisten, die dem Aufruf
eines rechten, fremdenfeindlichen Hetzblattes gefolgt sind.
Sie haben einmal gesagt: "Ich habe von Donald Duck mehr über
das Leben gelernt, als in allen Schulen, in denen ich war." Was denn?
Gottfried Helnwein: Das Füllhorn der Weisheiten, welches Donald über
mich ausgegossen hat, ist so reichhaltig, dass es den Rahmen dieses Gespräches
sprengen würde, darauf im Einzelnen einzugehen, aber glauben Sie mir, erst
Entenhausen hat meinem Leben einen Sinn gegeben.
Waren die Schulen so schlecht?
Gottfried Helnwein: Picasso hat gesagt: "Als Kind ist jeder ein Künstler.
Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben."
Das ist deshalb so, weil die meisten Erziehungssysteme wie Mähdräscher
funktionieren: vorne kommen die lieben Kinder hinein, und hinten kommen sie
fein geschrotet und gemahlen wieder heraus. Und so werden Erwachsene erzeugt:
durch die Zerstörung des Kind-seins, des Spielens und Träumens, der
Kreativität und jeder Spontanität. Aber das ist wahrscheinlich unvermeidlich,
wenn man sich ordentliche Staatsbürger wünscht, - Soldaten, Steurfahnder,
Zuhälter, Psychiater, Geheimagenten, Rennfahrer, Politiker, etc...
Sie wollten als Kind Papst und Bundespräsident werden, als 16-Jähriger
Revolutionsführer. Sind Sie mit dem Erreichten trotzdem zufrieden?
Gottfried Helnwein: Zufrieden bin ich nie, aber ich danke dem Herrgott auf meinen
Knien, dass er meine kindlichen Wunschträume nicht in Erfüllung gehen
liess.Sie nennen Rockmusik, Comics und Film als die Künste des 20. Jahrhunderts.
Sind Sie als Maler ein Anachronist?
Gottfried Helnwein: In der Renaissancezeit waren Maler die Superstars, Musikanten
und Schauspieler wurden damals der Kategorie Gaukler/Akrobaten zugerechnet,
waren also eher am unteren Ende der Gesellschaft angesiedelt. Heute ist es ganau
umgekehrt, (Film-)Schauspieler und Musiker sind die Stars, Bildende Künstler
spielen dagegen keine grosse Rolle mehr und gehören eher der Freak-Abteilung
an. Ich glaube, dass bedeutende Kunst immer auch den Zustand der jeweiligen
Gesellschaft reflektieren und auf die Probleme der Zeit (kritisch) reagieren
sollte. - Wo sind sie heute die Goyas, die die "Greuel des Krieges"
darstellen?
Die zeitgenössische Kunstszene ergeht sich derzeit vor allem in schwachsinnigen
neo-dadaistischen Gags und insider-jokes. Und obwohl die Scheisse der amerikanischen
Entertainment-Industrie langsam alles Künstlerische unter sich begräbt,
gibt es in den Bereichen Film, Comics und Rockmusik noch vereinzelte Rebellen,
die Kunst und Ästhetik als Waffe verstehen und auch so einsetzen.
Sie bezeichnen sich als "besessen von der Idee, herauszufinden, in
welcher Welt ich lebe". Was ist ihr Resümee?
Gottfried Helnwein: Das will ich Ihnen lieber ersparen, - es würde Ihnen
den Appetit verderben.
http://www.helnwein.de/presse/international_press/artikel_2567.html